Rabien und die Zeitgeschichte

Ein farbiger Spiegel der Geschichte unseres Hauses zwischen 1905 und 1955 - und zugleich der Zeitgeschichte - erschien 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST unter dem Titel:

"In Potsdam mal konditern gehn..." Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien.

Hier können Sie alle Folgen der 13-teiligen Serie nachlesen

Folge 8 / 13

  • Konditorn in Sanssouci


In Potsdam mal konditern gehn

Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien / von Franz Born, erschienen 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST

Teil VIII - Neues Haus und neue Gäste

Im März 1933 wurde die Konditorei Rabien endgültig von ihrem alten Stammplatz ans Brandenburger Tor verlegt; die neue veränderte Zeit hatte diesen Umzug erforderlich gemacht. Doch die gute alte Tradition zog mit hinüber — und der Abschied vom alten Haus am Nauener Tor wurde noch mit den Gästen in ganz besonderer Weise gefeiert.

Schon lange vor dem 31. März war immer wieder von den Kunden gefragt worden, wann denn nun der „letzte Tag“ sei. So elegant und schön die neue Konditorei am Brandenburger Tor war — gerade die alten Stammkunden und Gäste konnten sich noch nicht damit befreunden, daß sie nun nicht mehr in den ihnen seit Jahrzehnten vertrauten und liebgewordenen Räumen konditern sollten. Sie alle sagten ihr Erscheinen für diesen Abschiedstag zu.

Der Abschied der Konditorei am Nauener Tor hatte sich so weit herumgesprochen, daß sogar alte Kunden von auswärts eintrafen, Und von Magdeburg kommend, erschien eines Vormittags ein älteres Ehepaar, das die Meisterin sprechen wollte und einen ganz besonderen Wunsch hatte: im Oberstock auf dem Sofa zwischen den Menzel Bildern hatten sich die alten Herrschaften vor dreißig Jahren kennen gelernt und vor fünfundzwanzig Jahren heimlich und feierlich verlobt. Beim Konditern! Und dort oben wollten sie noch einmal sitzen — genauso wie damals. Sie wurden selbstverständlich eingeladen und bekamen auf ihren Wunsch das gleiche vorgesetzt wie vor fünfundzwanzig Jahren: Eisschokolade und Lohengrintorte mit Schlagsahne, danach für jeden zwei Anis-Liköre. Frau Rabien fand dieses Vorkommnis so hübsch, daß sie es damals in das private Tagebuch der Firma eintrug.

Und dann kam der Abschiedstag heran. Vom frühen Vormittag an waren die Räume der Konditorei überfüllt. All die alten Exzellenzen aus den Villen in der Weinmeisterstraße und am Neuen Garten waren getreulich erschienen. Stammgäste wie Professor Kania und Juwelier Vogel saßen, wie gewohnt, vor ihrer Viertellitertasse schwarzen Kaffees, Freunde und Stammgäste aus Berlin waren herübergekommen. Und das Büfett zeigte die alte Pracht der vergangenen Kaiserzeit: hier konnte man noch einmal all die alten Torten finden und probieren, welche die jüngere Generation, die im Weltkrieg aufgewachsen war, schon gar nicht mehr kannte: von der „Schweden-Charlott“ über die „Makronen- und „Graf-Waldersee-Torte“ bis zu den „Nuß Baisers“ und der Krönung aller „Friedenstorten“ der „Genfertorte“.

Und das alles gab es umsonst! Jeder konnte bestellen, was er wollte bis zum Dessertwein oder Likören. Das sprach sich natürlich mit Windeseile in ganz Potsdam herum. Vielen alten und vornehmen Stammgästen war diese großzügige Einladung, von der sie erst erfuhren, als sie zahlen wollten, sogar außerordentlich peinlich und die Serviererinnen erhielten an diesem Tag wahrhaft fürstliche Trinkgelder. Aber wie die menschliche Natur so ist — es gab auch Leute, die an diesem Tag viermal zum Konditern erschienen. Und Personal und Chefin beobachteten mit Vergnügen, daß ein bekannter Rechtsanwalt in den Abendstunden ganz unbefangen zum sechstenmal „vorbei kam“, um diese wohltuende Gastfreundschaft des Hauses in Anspruch zu nehmen.

Gegen neun Uhr wurde geschlossen. Zusammen mit dem alten Personal saßen Rabiens noch einmal rund um den Tisch beim Abendbrot. Und dann stand Frau Rabien schweigend auf und reichte dem Nächstsitzenden die Hand. Die anderen folgten. Eine stumme Polonäse durch das alte, liebe Haus begann — bis hinaus auf den Hof zu den Speichern und zum Oberboden. Niemand sprach; es war ein erinnerungsschweres, fast traumhaftes Abschiednehmen von dem Schauplatz so vieler Jahre.

Wie würde es nun drüben am Brandenburger Tor sein? Würden die alten Gäste auch dorthin kommen? Würden es der Sohn und seine junge Frau schaffen, der Konditorei die alte Tradition zu erhalten? Noch lange war die Meisterin von diesem Gedanken bewegt, bis endlich das letzte Licht im Haus am Nauener Tor verlöscht war.

Eine tolle Bestellung

Fröhlich leuchtete die neue, rot-weiß gestreifte Markise im Frühlingssonnen­schein, Vor den großen Schaufenstern, der Konditorei Rabien am Brandenburger Tor waren schon die Tische und Stühle herausgestellt. In der Ecke am Brandenburger Tor parkten die Privatwagen, warteten die großen Rundreisebusse, standen die beiden neuen Lieferautos der Firma.

 Die neue Konditorei am Brandenburger Tor – so wie viele Berliner sie noch in Erinnerung haben Foto: privat

Für die alten Gäste, die natürlich, wenn auch ein wenig kritisch, alle längst wieder bei Rabiens saßen, war das selbstverständlich, Aber nun wurde es auch für die Filmleute aus Neubabelsberg zu einer Selbstverständlichkeit. Sie kamen nur zu gern aus den Ufa-Ateliers mit ihren Wagen herüber, um hier zu sitzen, zu plaudern und danach einen kleinen Spaziergang zu machen.

Da saß die zierliche Lilian Harvey, damals der Filmliebling des Publikums, und nahm gar keine Rücksicht auf ihre schlanke Linie. Durch die noch heute unvergessenen Filme „Die drei von der Tankstelle“ und „Der Kongreß tanzt“ war sie weltbekannt geworden.

Renate Müller kam, bekannt und beliebt durch ihre Filme „Die Privat-Sekretärin“ und „Die englische Heirat“, um hier, einmal frei von allen lästigen Vorschriften ihrer Regisseure, mit einer Freundin nach Herzenslust zu konditern. Verbotenerweise! Denn die „Lieselotte von der Pfalz“ lag Renate Müller leider viel mehr als die entzückende Hosenrolle in „Viktor und Viktoria“, in der sie zusammen mit Adolf Wohlbrück so gertenschlank aufgetreten war.

Mathias Wiernan war dort, noch in erster Linie Bühnenschauspieler, und in Berlin vor allem berühmt geworden durch seine unvergeßliche Darstellung des Hauptmanns in Sheriffs Kriegsstück „Die andere Seite“. Der Schauspieler Ernst Ginsberg, den man gerade nach Berlin hatte holen wollen, erschien noch einmal bei Rabiens, um sich zu verabschieden, ehe er in die Schweiz emigrierte.

Das Erstaunliche war: der Stil der alten Konditorei war doch so stark, daß all diese Prominenz im großen und ganzen von Autogrammjägern und Bewunderern unbelästigt blieb. Gerade so manchen Berlinern, die jetzt den Weg zu der Konditorei am Brandenburger Tor fanden, fiel es nicht leicht, eine solche Autogrammbeute, wie etwa Gustav Fröhlich, am Nebentisch zu erblicken — und nicht anzusprechen!

Aber auch die Requisiteure der Ufa, der Tobis und anderer Filmgesellschaften erschienen in der Konditorei, um wieder einmal eine ihrer ganz „besonderen“ Bestellungen aufzugeben. Requisiteure — das sind die bedauernswerten Leute, die vom Kinderwagen über das Prunkkleid aus dem 13. Jahrhundert bis zum historisch echten Kavalleriesäbel jeden Wunsch des Filmautors und des Regisseurs erfüllen müssen. Und so bestellte einer von ihnen für die erste Fassung des Films „Emil und die Detektive“ einen Herrenhut, und zwar eine schwarze „Glocke“ — zum Aufessen! Fritz Rasp in der Rolle des Bösewichts, hatte bei der Traumszene im Zugabteil in seinen Hut zu beißen und ihn langsam zu verzehren. Gleich siebenmal mußte Meister Rabien auf Wunsch des Regisseurs Lamprecht den schwarzen Hut aus Marzipan, Schokolade und Waffeln herstellen und er wirkte nachher bei den Aufnahmen völlig natürlich.

Nein — es war nicht mehr so ruhig und still-gemütlich wie einst am Nauener Tor, wo die alte Kundschaft ganz „unter sich“ gewesen war. Und doch fand gerade die Stammkundschaft all diesen „neuen Trubel“ recht interessant und erschien nicht weniger häufig. Vor den Fenstern der Konditorei parkten schnittige neue Wagen aus aller Herren Ländern, und immer häufiger erschienen jetzt wieder hohe Militärs, oft sogar mit offiziellem Besuch, als Gäste. In schneeweißer Uniform fuhr der damals durch seinen Amerikaflug in aller Welt bekannt gewordene italienische Marschall Balbo vor.

Aber es zeigte sich auch die andere Seite der neuen Zeit. Viele von den alten Kunden und Freunden kamen nicht mehr. Der Weltenbummler und Reiseschriftsteller Richard Katz hatte, ebenso wie der immer vergnügte Berliner Zeichner Walter Trier, Deutschland verlassen müssen. Von manchen Gästen hieß es, sie seien von der Gestapo festgehalten, und selbst die Familie wisse nichts von ihrem Schicksal. Die neuen Herren ließen ihre Macht spüren — und doch ließen sie den Potsdamer Stil im großen und ganzen unangetastet. Sie brauchten die Stadt der preußischen Tradition als Schaustück für das Ausland.

Teil IX - Die schönste Frau von Potsdam

BERLINER MORGENPOST -- SONNTAG, 16. OKTOBER 1955


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