Rabien und die Zeitgeschichte

Ein farbiger Spiegel der Geschichte unseres Hauses zwischen 1905 und 1955 - und zugleich der Zeitgeschichte - erschien 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST unter dem Titel:

"In Potsdam mal konditern gehn..." Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien.

Hier können Sie alle Folgen der 13-teiligen Serie nachlesen

Folge 6 / 13

  • Konditorn in Sanssouci


In Potsdam mal konditern gehn

Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien / von Franz Born, erschienen 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST

Teil VI - Im Wirbel einer neuen Zeit

Der Glanz des alten, kaiserlichen Potsdams war für immer dahin. Doch etwas Überraschendes geschah: gerade jetzt nach Kriegsende begann erst Potsdams große Zeit als Fremdenstadt. Aus aller Welt kamen die Reisenden: jeder wollte die einstige Residenz der Hohenzollern gesehen haben. Man entdeckte das romantische Potsdam mit seiner Vergangenheit; auf eine neue Weise wurden nun Schlösser und Parks wieder lebendig. Die Konditorei Rabien erlebte einen ungewöhnlichen Ansturm von Amerikanern und Engländern, die in den großen Reisebussen vorfuhren ...

So sehr sich auch die alten Ex­zellenzen einschränken mußten — das geruhsame „Konditern“ bei Rabiens ließen sie sich nicht nehmen. Doch auch in den stillen, grün umrankten Winkel am Nauener Tor drang schon das Fieber der modernen Zeit. An jedem Nachmittag hielten die großen Autobusse der Rundreisegesellschaf­ten, wie „Käses Rundfahrten“, „Berolina“ und „Elite“ am Nauener Tor; sie kamen von Berlin herüber und brachten ein internationales Publikum mit.

Die Amerikaner, Engländer, Mexi­kaner, die Reisenden von Uruguay und Neuseeland aber wußten wenig von der Gemütlichkeit und der Kultur des „Konditerns“. Sie hatten ein großes Besichtigungsprogramm vor sich: „The Palace of Sanssouci“ die „Garnison Church“, „The New Palace“... Und sie wollten recht schnell deutschen Kuchen essen, „Pilsen beer“ trinken, wollten nur ein paar Minuten die romantisch-gemütliche Atmosphäre des kleinen Cafes genießen.

Oft gab es einen solchen Besuchstrubel vor der Konditorei, daß die Polizei die An- und Abfahrt regeln mußte. Bestellungen auf englisch, französisch und spanisch schwirrten umher, so daß den schwarz gekleideten Serviererinnen manchmal angst und bange wurde und die Dolmetscher der Reisegesellschaften eingreifen mußten.

Mehrmals am Nachmittag hatte Meister Rabien dafür zu sorgen, daß vierzig Personen eines solchen Gesell­schaftsautos in genau zehn Minuten wunschgemäß bedient sein mußten. Und darunter gab es schwierige Fälle, wie einmal vier Inder, die nur Tee trinken wollten, und zwar eine ganz bestimmte Sorte. Den Rekord aber hielt eine Autobuskolonne mit 140 Amerikanern, die schon aus ihren Autos nach Bier riefen. Sie wurden in genau neunzehn Minuten prompt bedient. Und das imponierte ihnen wieder so, daß ihr Sprecher den Konditormeister zu sehen wünschte und ihm mit einem mächtigen Schlag auf die Schulter sein Kompliment machte.

All diese Ausländer brachten einen neuen Lebensstil mit, eine neue Mode, ein neues, ungewohntes Auftreten. Und sie brachten Dollars mit, die wertbeständigen Dollars, für die sie in dieser Inflationszeit kauften, was es nur zu kaufen gab: von Grundstücken angefangen bis zu kostbaren alten Möbeln. Was alte Möbel und alte Stiche betraf, so fanden sie bei den verarmten Familien der guten Potsdamer Gesellschaft wahre Schätze. So manches schöne, uralte Erbstück mußte damals veräußert werden. In der gepflegten, alten Pension Klee in der Jägerallee, wo alleinstehende alte Damen und Herren des Adels bisher behaglich in ihrem eigenen Mobiliar wohnten, wurden die Räume immer leerer und die Wände kahler. Teppiche, Stiche, Kommoden, und in einem Fall ein ganzer goldener Rokokosalon, wurden als Souvenirs in Potsdam eingekauft.

Aber auch die Berliner, die mit ihren Freunden und Gästen nach Potsdam herüberkamen, hatten sich erstaunlich schnell der neuen Zeit und der neuen Mode angepaßt. Wenn die älteren Potsdamer Damen den „Bubikopf“ und den kurzen Rock bei den Amerikanerinnen noch mit hochgezogenen Augenbrauen hingenommen hatten, so waren sie jetzt bei den Berlinerinnen schwer chokiert. Sie hielten es auch für undenkbar, daß sich diese unmögliche Mode des kniefreien Rocks und der Beine in Seidenstrümpfen auf die Dauer würde halten können. Eine alte Exzellenz entließ ihr Hausmädchen auf der Stelle, weil „diese Person“ der neuen Mode gehuldigt und sich einen Bubikopf hatte schneiden lassen — natürlich drüben in Berlin!

Die Potsdamer Jugend allerdings dachte anders. Sie nahm die neue Zeit als selbstverständlich hin, und auch Töchter aus sehr guter Familie machten die neue Mode mit und fuhren sogar heimlich nach Berlin hinüber, um einmal eine der neuen, modernen Bars und vor allem, um „Jazzmusik“ kennen zu lernen. Denn in Potsdam wäre es keinem Unternehmer möglich gewesen, eine solche Bar aufzumachen.

Die „Historische Mühle“ im Park von Sanssouci — einst ein Begriff für Hunderttausende von Besuchern aus aller Welt, Foto: Baur
Potsdam behielt seinen Stil — und gerade das war es ja, was die Reisenden in Potsdam suchten.

Nicht nur die Reisenden und die Ausländer allein! Eines Tages erschien eine Gruppe von Herren in der Konditorei, die sich die Fassade des alten Hauses sehr genau ansahen und sich dann am Büfett erkundigten, wo die Verwaltung der Preußischen Schlösser und Gärten zu finden sei. Es waren Filmleute: ein Vortrupp der Ufa, die einen großen Film über den Alten Fritz plante. Der Film entdeckte jetzt Potsdams alte Schlösser, die unvergleichlich schönen Parks und den Glanz der vergangenen preußischen Geschichte. Der Film „Fridericus Rex“ wurde gedreht — und er wurde zu einem ungeheuren Erfolg.

Während der Aufnahmen zum zweiten Teil erlebten die Potsdamer, daß auf einem der verschwiegenen Parkwege von Sanssouci eine kleine Gestalt auftauchte mit Dreispitz und Krückstock, im Uniformrock des Rokoko, gefolgt von zwei schlanken Windspielen. Die Terrasse von Sanssouci belebte sich wieder, im historischen Musikzimmer fand das Flöten­konzert statt; in dem kleinen kostbaren, in Rot und Gold gehaltenen Theater im Neuen Palais nahm wieder eine Rokokogesellschaft Platz, die Damen im Reifrock und die Herren in weißer Perücke und tressenbesetzten großen Röcken...

Bald gehörten auch solche Kostüm­szenen, ebenso wie die Kamera der Filmleute, zum Potsdamer Alltag, und man gewöhnte sich daran, Otto Gebühr auch in „Zivil“ in der Konditorei zu sehen, denn nach dem Erfolg des Fridericus-Films wurden immer neue Rokoko-Filme gedreht, in deren Mittelpunkt Sanssouci der Alte Fritz und die Parklandschaften Potsdams standen.

Der Erfolg all dieser Fridericus-Filme zog neue Besucherscharen heran, die nun vor allem Sanssouci, die Historische Mühle und das Neue Palais sehen wollten. In Schloß Sanssouci folgten die Besuchergruppen manchmal so dicht aufeinander, daß man aus drei nebeneinander gelegenen Räumen die Erklärungen der Führer hören konnte, oft noch dazu in verschiedenen Sprachen!

Neue Gäste im alten Haus

Abseits in verschwiegener Stille lag drüben das zauberhafte kleine Schloß Charlottenhof mit seiner Pergola und dem Zeltzimmer, das Friedrich Wilhelm IV dem großen Weltreisenden Alexander von Humboldt eingerichtet hatte, lagen die Römischen Bäder und das Chinesische Teehäuschen. Für alle, die Potsdam kannten, und vor allem für die Potsdamer selbst, gab es trotz dieser Hochkonjunktur an Besuchern noch immer viele solcher verschwiegenen Plätze.

Da war das Schloß auf dem Pfingstberg mit seinem alten Brunnenhof und dem weiten Ausblick über die Havel, war das Marmorpalais, der Neue Garten und so manche romantische Stelle in der Stadt selbst . . .

Zur Fremdenstadt und zur Filmstadt war Potsdam nach 1920 geworden — für die meisten blieb es doch, die Stadt der alten, preußischen Tradition! Hier fanden die Aufmärsche der nationalen Verbände statt, hier zahlreiche Denkmalsweihen in der Uniform der alten Regimenter.

Nach solchen Feierlichkeiten konnte man manchmal am Büfett der Konditorei Rabien glauben, die „gute alte Zeit“ sei wieder da, wenn die Offiziere erschienen und traditionsgemäß ihr Gläschen Kognak tranken. Es waren ja die gleichen Menschen wie früher, und die gleichen alten Exzellenzen saßen an den Marmortischen vor ihrer Tasse Kaffee und ihrem Tortenteller — nur die Zeiten hatten sich völlig geändert.

Und manches neue Gesicht, mancher neue berühmte Name war aufgetaucht. Es fand sich der damals vergötterte Stummfilmstar Lilian Gish ein; die außerordentliche schauspielerische Gestaltungskraft dieser kindhaft-zarten Frau hatte damals dem Film zum großen Teil überhaupt erst zu künstlerischem Ansehen verholfen. Von Berlin kam regelmäßig mit ihrem riesigen Wagen die bekannte Ehevermittlerin Margarete Bornstein herüber, in deren Salon sich damals Industrie und Hochadel trafen. Sie war auch mit Theater- und Zeitungsleuten sehr gut bekannt und bestellte einmal bei Rabien für ihren Freund Alfred Kerr, den berühmten Theaterkritiker, ein riesiges Pfefferkuchenherz, auf das mit Zucker ein Gedicht an Kerr geschrieben werden mußte.

Die alte Kundschaft, vor allem der einstige Hof, war der Konditorei treu geblieben, auch wenn Meister Rabien das goldbronzierte Wappenschild der Hohenzollern von der Fassade seines Hauses hatte entfernen müssen und er offiziell kein Hofkonditor mehr war. Wie einst kamen die Bestellungen aus der Villa Ingenheim, in der Prinz Eitel Friedrich wohnte, aus der Villa Liegnitz von Prinz August Wilhelm und von Schloß Cecilienhof im Neuen Garten, wo die Kronprinzessin auf die Rückkehr ihres Gatten wartete.

Die Prinzen kommen zu Besuch

In dem ganz in englisch modernem Geschmack eingerichteten Schlößchen waren die inzwischen herangewachsenen Söhne von Meister Rabien oft zu Gast. Und für die beiden Kronprinzensöhne, Wilhelm und Louis Ferdinand, gab es bei Rabiens einen ganz besonderen Anziehungspunkt: auf dem geräumigen Oberboden des Hauses näm­lich wurden von den theaterbegeisterten Söhnen des Hauses und ihren Freunden kleine Aufführungen veranstaltet. Eines Tages wollte die Kronprinzessin eine solche Aufführung auch bei sich in Cecilienhof sehen, und so gab man denn dort ein Stück „Der Ring des Odysseus“, in dem Prinz Wilhelm, angetan mit einem prächtigen, in Falten geworfenen Laken, die Penelope darstellte!

Gemeinsam mit den Prinzen wurde auch die Tanzstunde besucht — bei Loewenstein in der Großen Weinmeisterstraße, wo im allgemeinen der junge Adel hinging, während andere junge Herrschaften die Tanzschule Apitsch neben dem Palast Barberini aufsuchten, um dort Walzer und sogar so moderne Tänze wie Tango zu lernen. Aber selbst zu Loewenstein kamen die Eltern nicht mehr wie einst mit, um ihre Töchter mit Argusaugen zu bewachen. So weit hatten sich die Formen denn doch gelockert, daß der berühmte „Drachenfelsen“ der früheren Tanzstunden verschwunden war.

Teil VII - Am Brandenburger Tor

BERLINER MORGENPOST -- SONNTAG, 2. OKTOBER 1955


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  • Sonn- und Feiertag 12.00 - 18.00
  • Heiligabend
    Dienstag, 24.12.2024, geschlossen
  • Die Konditorei ist geschlossen vom
    24.12.24 bis einschließlich 01.01.2025

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