Rabien und die Zeitgeschichte

Ein farbiger Spiegel der Geschichte unseres Hauses zwischen 1905 und 1955 - und zugleich der Zeitgeschichte - erschien 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST unter dem Titel:

"In Potsdam mal konditern gehn..." Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien.

Hier können Sie alle Folgen der 13-teiligen Serie nachlesen

Folge 4 / 13

  • Konditorn in Sanssouci


In Potsdam mal konditern gehn

Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien / von Franz Born, erschienen 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST

Teil IV - Eine Epoche versinkt

Vor dem Kriege war das Leben in Potsdam noch geruhsam und patriar­chalisch. Manöver, Diplomatentreffen und das Leben am Hofe standen im Mittelpunkt des Interesses. Man glaubte, daß sich die Zeiten nie ändern würden.

Weihnachten im alten Potsdam! Der Park von Sanssouci lag in weißer, einsamer Stille; Drachenhäuschen und Historische Mühle waren dick mit Schnee bepudert. Das war die Zeit, zu der die Potsdamer an Wintersonntagen hinaus nach Eiche und Golm zum Schlachtfest zogen, und man an den Nachmittagen auf dem Heiligen See Schlittschuh lief. Vor dem blaukalten Winterhimmel ragte in der frühen Dämmerung am Ufer das Marmorpalais auf, in dem das Kronprinzenpaar wohnte.

Eine Militärkapelle spielte auf dem Eis, Offiziere schoben ihre in Pelz gehüllten Damen auf dem Stuhlschlitten vor sich her, und die Jugend „holländerte“ und lief kühn durch den Hasengraben hinaus zur Havel und zur Meierei, in deren verschneiten Gärten man rasch einen heißen Grog trank.

Die Hausfrauen aber, kauften für das Weihnachtsfest ein. An. der Langen Brücke lag das Apfelschiff, eine riesige Zille, die man nur über einen schwankenden Bohlensteg erreichte. Am frühen Nachmittag und Abend schimmerten hier riesige Apfelpyramiden aus Borsdorffern, Hasenköpfen, und Calvillen im Schein kleiner Petroleumlampen.

Unter den entblätterten Platanen und Kastanien lagen die Fischerkähne auf dem alten Stadtkanal, und die Fischfrauen saßen in ihren altmodischen Kastenstühlen. Vor den großen Wannen voll springlebendiger Karpfen und warteten auf die Käufer. Auf dem Platz, vor St. Nicolai aber war Weihnachtsmarkt, und die Beelitzer Bauern kamen hierher mit ihrem Rotkohl und ihren Gänsen.

Weite Fahrt der „langen Kerls“

In der Hofkonditorei Rabien aber hatte man alle Hände voll zu tun, während draußen vor den strahlend erleuchteten Fenstern mit den Weihnachtsdekorationen sich die Kinder drängten. An solch einem Weihnachtsabend gab es einmal einen Auf lauf, weil auf dem Balkon der riesigen Historischen Mühle aus Zuckerwerk, deren Flügel sich langsam drehten, zum größten Gaudium des Publikums eine verzweifelte Maus umhersauste und keinen Ausgang fand. Und das in der Hofkonditorei!

Eine Spezialität in dieser Weihnachtszeit waren die beliebten: „Langen Kerls“ aus Honigkuchen mit Zuckerglasur, die manchmal einen Meter hoch waren und von den Kindern stolz nach Hause getragen wurden. Man bestellte Torten, Stollen und immer wieder Baumkuchen -- man kaufte ja gleich für vierzehn Festtage ein! In den Gewölben auf dem Hof wurden Pakete für den Weihnachtsversand verpackt, die in alle Welt hinausgingen. Viele Söhne von Potsdamer Familien standen ja als Offiziere in den Kolonien, und bis nach Südwestafrika und Neu-Guinea reisten die mit Blech ausgeschlagenen Spezialkisten, die eine weite Fahrt über die Meere und oft noch mit Büffelgespannen übers Land anzutreten hatten.

Heiligabend! Zahllose Gratulationen waren zu verschicken und entgegenzunehmen, zahllose Bestellungen bis zum letzten Moment auszuführen. Aber dann, wenn um die neunte Stunde das „Lobe den Herrn" vom Turm der Garnisonkirche erklang, konnte das Geschäft endlich geschlossen, das Café ausgeräumt und auch hier, zusammen mit dem Personal fröhliche Weihnachten gefeiert werden.

Die Lichterbäume brannten in der Konditorei wie in der ganzen Stadt, und draußen im Neuen Palais, wo der Kaiser im prächtig glitzernden Muschelsaal ebenso seiner Familie und seinem Personal bescherte. Die weißen Flocken schwebten auf St. Nicolai, Stadtschloß und Sanssouci hernieder; am Manual des Glockenspiels hoch droben auf dem Turm der Garnisonkirche saß Professor Becker und ließ die alten Weihnachtslieder erklingen. So war es jahrzehntelang gewesen — ein Weihnachten in Fülle, Sorglosigkeit und Sicherheit. So war es auch dieses Weihnachten 1913! Wer ahnte damals, daß bald eine ganze Epoche für immer versinken sollte!

Im glutheißen August 1914 kam der Donnerschlag für diese zufriedene und ahnungslose Welt: der Ausbruch des Krieges. Aber — und so dachten die meisten — was konnte schon geschehen? Deutschland hatte sein starkes Heer, seine neue Flotte... Zu Tausenden meldeten sich begeisterte Kriegsfreiwillige, so viele, daß sie vorerst gar nicht angenommen werden konnten.

Kleine Spazierfahrt durch die Stadt! Kronprinzessin Cäcilie kutschiert selbst, nur von einer Hofdame begleitet. Foto: Ullstein

In der Konditorei Rabien verabschiedeten sich die Gardeoffiziere in bester Laune: „Zu Weihnachten sind wir wieder zu Hause.“ Der letzte Likör am Büfett wurde getrunken, das letzte Pastetenfrühstück verzehrt -- morgen ging es fort. Am Bahnhof Wildpark drängten sich Hunderte von Angehörigen und Zuschauern, als das Erste Garderegiment zu Fuß unter den Klängen der alten, zündenden Militärmärsche verladen wurde. Und doch fehlte etwas von dem gewohnten Glanz — da waren diese neuen, dem Auge noch ungewohnten feldgrauen Uniformen ... Siegesnachrichten und Siegesfeiern — noch nahm man es nicht weiter tragisch, daß sich die Front in Frankreich langsam festgefahren hatte! Man jubelte über den Sieg bei Tannenberg. Um die Weihnachtszeit häuften sich die Tortenbestellungen bei Rabien in unwahrscheinlichem Maße; kaum vermochte die Backstube all das zu liefern, was da von Müttern, Frauen, Bräuten, Schwestern an die Front geschickt wurde.

Im Frühjahr kamen die ersten Urlauber und erzählten von ihren Kriegserlebnissen. Und draußen auf der Nauener Straße zogen neue Truppen vorbei, um an die Front zu fahren. Dann waren die Türen der Konditorei weit geöffnet und zwei Verkäuferinnen teilten Kuchenpäckchen und Schokolade an die Soldaten aus. im Schaufenster prangten Marzipantorten mit großen eisernen Kreuzen aus Zucker. Doch im übrigen lief in diesem ersten Kriegsjahr das Leben noch weiter wie bisher, die Damen kamen konditern und erzählten von ihren Angehörigen im Feld, die älteren Herren erschienen allabendlich und nahmen zum Dominospiel oder zum Schach ihren Sherry, die neuesten Siegesnachrichten wurden diskutiert ...

Gegen Ende 1915 aber begann der Krieg immer stärker dem Leben seinen Stempel aufzudrücken. Der Alltag wurde grau und schleppend, die Zahl der Frauen in Trauer immer größer. Und allmählich veränderte sich auch das Publikum der Konditorei. Jetzt waren auch verwundete Soldaten an den Marmortischen zu sehen, Rote-Kreuz-Schwestern tranken hier ihren Kaffee, und die alten Gräfinnen und Exzellenzen zogen sich manchmal vor soviel Trubel in den. Oberstock zurück, der seit einigen Jahren eingerichtet war. Dort saßen sie auf den Sofas unter den Menzel-Bildern: „Es muß ja gut gehen — wir müssen ja siegen.“

Immer öfter mußten Meister Rabien und seine Frau schweigend und bedrückt kondolieren — sie kannten ja alle die alten Familien Potsdams und lasen morgens, die Traueranzeigen in der Potsdamer Tageszeitung. „An diesem Tisch da drüben hat mein Junge noch bei seinem letzten Urlaub gesessen und war so vergnügt — “, das sagte jetzt manche Exzellenz mit verweinten Augen.

Jetzt waren auch schon die Lebensmittel rationiert; es gab weniger Mehl und weniger Zucker. Am Horizont tauchte schon das Gespenst der Not auf. Unter den Papieren der Hofkonditorei befindet sich noch ein Brief vom Hofmarschallamt des Prinzen August Wilhelm vom 20. November 1916:

„Sollte es in diesem Jahre für das Weihnachtsfest überhaupt Pfefferkuchen und dergleichen geben, so würde ich Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie den hiesigen Hofhalt mit einer, wenn auch noch so kleinen, Lieferung berücksichtigen würden“,

schreibt der Hofmarschall recht zaghaft. Und Meister Rabien sorgte unter tausend Schwierigkeiten dafür, daß das noch immer möglich war.

Hinter dem großen Spiegel am Büfett steckten die Feldpostbriefe für Freunde und Bekannte, die aus dem Feld an die Konditorei Rabien adressiert waren; hier erfuhren die Urlauber von ihren Schulkameraden und Freunden. Was man den Urlaubern allerdings jetzt noch an Kuchen und Torten vorsetzen Konnte, das war mit dem früheren Backwerk überhaupt nicht mehr zu vergleichen. Und eines Tages kam in der Hofkonditorei eine Torte aufs Büfett, die mit der Genfer Torte seligen Angedenkens nur noch wenig Ähnlichkeit hatte. Diesmal lautete das Rezept: Ein Pfund rohe, geriebene Mohrrüben, ein halbes Pfund Mehl, zwei Eßlöffel Grieß, ein viertel Pfund Zucker, eine Zitrone und 30 Gramm Backpulver. Und doch war in diesem furchtbaren Kohlrübenwinter selbst die Mohr­rübentorte noch eine Erholung und eine Verlockung. „Konditern geh'n“, das ließ man sich bis in die letzten Kriegstage hinein nicht nehmen.

Teil V - Die Kaiserin kehrte heim

BERLINER MORGENPOST -- SONNTAG, 18. SEPTEMBER 1955


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Klingsorstr.13 - 12167 Berlin

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  • Die Konditorei ist geschlossen vom
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