Rabien und die Zeitgeschichte

Ein farbiger Spiegel der Geschichte unseres Hauses zwischen 1905 und 1955 - und zugleich der Zeitgeschichte - erschien 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST unter dem Titel:

"In Potsdam mal konditern gehn..." Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien.

Hier können Sie alle Folgen der 13-teiligen Serie nachlesen

Folge 13 / 13

  • Konditorn in Sanssouci


In Potsdam mal konditern gehn

Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien / von Franz Born, erschienen 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST

Teil XIII - Abschied vom alten Haus

Der Meister war fest entschlossen, sein Geschäft trotz all der maßlos schwierigen Umstände der Nachkriegs-Jahre zu halten. Bei aller Marken­wirtschaft brachte er es fertig, daß man am Brandenburger Tor wieder konditern gehn konnte. Gerade das aber reizte die nach russischem Muster eingerichtete Handelsorganisation: die HO. Sie wollte um Jeden Preis die Konkurrenz ausschalten. 1950 begannen die ersten, zunächst noch liebenswürdig geführten Verhandlungen.

Wenn der Meister aus der Backstube abgerufen wurde, weil wieder „einige Herren“ ihn im Büro erwarteten, dann konnte er mit ziemlicher Sicherheit damit rechnen, daß es Herren von der HO waren. Schon nach wenigen Monaten war der Ton dieser seltsamen „Verhandlungen“ schärfer geworden.

„Geben Sie es doch auf, Herr Rabien. Sie können es ja allein doch nicht schaffen“, hatte man ihm anfangs gesagt. „Sehen Sie — wir übernehmen die Konditorei, und Sie werden unser Geschäftsführer. Dann können Sie endlich wieder Bohnenkaffee ausschenken, können ein Kuchenbüfett machen, wie es Ihren Wünschen entspricht! Das ist doch alles viel günstiger für Sie!"

Der Meister blieb fest. Sehr bald wußten die Gäste der Konditorei und damit der größte Teil der Potsdamer von diesem heimlich geführten Kampf. Und nach allem, was man in den letzten Monaten an Übergriffen der HO bereits erlebt hatte, hatte wohl die alte Konditorei nicht allzu viele Chancen mehr.

Da die Verhandlungen nicht zum Ziel geführt hatten, versuchte man es einmal auf andere Weise. Die „Märkische Volksstimme“ brachte eines Tages einen Artikel, in dem die Konditorei Rabien scharf angegriffen wurde, weil Schaufenster und Räume stets zu hell beleuchtet waren! In dieser Zeit, wo es zur Pflicht eines jeden gehörte, durch Einsparen von Strom am Aufbau mitzuhelfen, glaubte dieser Betrieb, sich besondere Extravaganzen leisten zu können!

Zu all diesen laufenden Schikanen kamen noch die täglichen Schwierigkeiten: die endlosen Stromsperren, der immer mehr erschwerte heimliche Einkauf von guten Zutaten, die plötzlichen Kontrollen der Gesundheitsaufsicht, der russischen Kommissionen, der Wirtschaftskommissionen und nicht zuletzt die viele Stunden nach Ladenschluß in Anspruch nehmende Arbeit des täglichen Abrechnens und Markenklebens. Da gab es Muttermarken, Kindermarken, Intelligenzmarken, die alle gesondert abzurechnen waren und — wir vergessen es nur zu leicht —auch heute noch „drüben“ abgerechnet werden müssen.

So treu auch die alte Stammkundschaft war und blieb — der Zauber der alten Konditorei war durch all diese östlichen Maßnahmen im Erlöschen. Nur Ostzeitungen hingen noch aus, nur Malzkaffee durfte ausgeschenkt werden, und den mußte man, falls wieder gerade einmal Stromsperre war, bei Kerzenlicht trinken.

Immer dringlicher rieten gute Freunde dem Meister, den ungleichen Kampf aufzugeben und freiwillig aus Potsdam zu gehen, solange das für ihn noch möglich war. Doch gegen diese Ratschläge wehrte er sich noch immer. Er hatte das Geschäft von seinen Eltern übernommen; solange er denken konnte, hatte es eine Konditorei Rabien mit ihrer glanzvollen Geschichte in Potsdam gegeben; sie war ein Stück dieser Stadt gewesen. Er sollte sich entschließen, Tradition und die Heimat zugleich aufzugeben, sein kleines Haus an der Havel, die Landschaft, die er liebte und in der er groß geworden war?

Ein schwerer Abschied

Bald aber wurde es deutlich, daß ihm keine Wahl mehr blieb. Ende des Jahres 1951 erschienen die Herren der HO fast jeden zweiten Tag, und nach einer dieser Besprechungen wurde ihm zwischen Tür und Angel gesagt: „Geben Sie es auf, wir kriegen Sie ja doch.“ Ein paar Tage später erfuhr der Meister, daß die Übernahme seines Geschäfts durch die HO für den Juni des nächsten Jahres im geheimen schon festgelegt war. Die Verhandlungen waren jetzt nur noch eine Formsache.

So kam es denn zu dem schweren Entschluß, die Konditorei an die HO zu verpachten — und damit wurde auch zugleich beschlossen, aus Potsdam fortzugehen und drüben in Berlin wieder neu aufzubauen. Unter tausend Schwierigkeiten erhielt der Meister denn auch endlich die Erlaubnis für die Übersiedlung.

Noch einmal versammelten sich die alten Kunden in der Konditorei; manche von ihnen brachten Blumen zum Abschied. Es waren viele Gäste darunter, die noch den Glanz der Kaiserzeit gekannt und am Rabienschen Büfett konditert hatten, als dort noch die Gardeoffiziere und die Herren und Damen vom Hof zu finden gewesen waren. Für sie alle verschwand mit der Konditorei ein letztes Stück lebendiger Tradition aus der grau und glanzlos gewordenen, halbzertrümmerten Stadt.

In den letzten Tagen, Mitte Mai 1952, hängte der Meister noch ein großes Schild ins Schaufenster, und er ließ es dort vier Tage lang hängen, obwohl Freunde und Gäste ihn bestürmten, nicht so unvorsichtig zu sein. Auf diesem Schild aber war zu lesen:

„Mit der Übergabe an die HO u n t e r b r e c h e n wir die langjährige Tradition unseres Hauses und wünschen allen Potsdamern ein herzliches Lebewohl."
Was uns noch blieb

Welche Unzahl von Schwierigkeiten war zu überwinden, bis die Übersiedlung nach Westberlin endlich Tatsache geworden und eine Möglichkeit gefunden war, wieder selbständig aufzubauen! Nach vielem Suchen entdeckte der Meister endlich die kleine, idyllisch gelegene Konditorei am Steglitzer Stadtpark, in deren Räumen sich heute wieder ein großer Teil der alten Potsdamer trifft.

Die Stiche an den Wänden erzählen von der alten Residenzstadt, das Büfett ist wieder aufgebaut wie einst, und die Auslage der Schaufenster hat das Traditionelle und Gemütliche wie einst am Brandenburger Tor. Hier lebt wieder nach schweren Anfangstagen und unablässiger Bemühung, den bescheidenen Räumen den alten Stil zu geben, die Tradition des behaglichen Konditerns auf.

Das erste neue Heim der Konditorei Rabien in Westberlin 1952 am Steglitzer Stadtpark. Foto: privat

Und es ist beinahe selbstverständlich, daß hier mehr als anderswo in Berlin von Potsdam gesprochen und an Potsdam gedacht wird. Alte Potsdamer aus aller Welt haben sich gemeldet, als sie durch Freunde oder rein zufällig von der Wiedereröffnung der Konditorei in Westberlin hörten. Briefe und Bestellungen kommen heute schon wieder aus ganz Westdeutschland und darüber hinaus aus England, Kanada, den USA und Kuba.

Sogar nach Australien werden wieder, wie in den besten Friedenszeiten, Baumkuchen der Firma verschickt, und Amerikaner bestellen die traditionellen Hexenhäuser aus Lebkuchen. Auch der heutige Chef des Hauses Hohenzollern, Prinz Louis Ferdinand, gehört zu den treuen Kunden. Bei seinem letzten Berlinbesuch mußte ihm Meister Rabien wie früher eine Torte mit dem Potsdamer Wappen liefern: dem roten Adler auf gelbem Grund.

Und wie sieht es „drüben“ am Brandenburger Tor aus? Aus der ehemaligen Konditorei Rabien ist eine „HO-Gaststätte“ geworden, die den Namen Parkcafe trägt. Doch der neue Name hat den alten nicht vergessen lassen, und „konditern“ kann man dort schon längst nicht mehr. Park Sanssouci, das einzige, was vom alten Potsdam noch ganz lebendig geblieben ist, ist für uns unerreichbar, ebenso wie die zauberhafte Wald- und Wasserlandschaft um Potsdam, wie Templin, Caputh, Ferch und Werder.

Was uns noch blieb, ist die „Potsdam—Landschaft“ der Pfaueninsel, der Park von Schloß Glienicke, die Uferchaussee an der Havel mit ihren uralten Bäumen, die an Moorlake vorüberführt und den Blick auf die Heilandskirche drüben in Sakrow freigibt, und Nikolskoe mit dem kleinen Blockhaus auf der umwaldeten Anhöhe.

Jenseits der Glienicker Brücke liegt heute eine für uns verschlossene Welt. Aber — und das ist die Hoffnung von Tausenden — eines Tages werden auf dieser „Brücke der Einheit“, wie sie heute groteskerweise heißt, keine Posten mehr stehen und uns den Zugang verwehren. Wir werden wieder durch den Neuen Garten wandern können und hinauf zum Pfingstberg-Schloß, und Potsdam wird wiedererstehen; in allem Grau und in aller Not ist der Stil dieser einzigartigen Stadt noch immer nicht untergegangen.

Und dann werden wir am Brandenburger Tor auch wieder die Konditorei Rabien vorfinden; der Meister versichert es uns. Dann kann er wahrmachen, was er mit seinem Abschiedsgruß den Potsdamern versprach: „...u n t e r b r e c h e n wir die langjährige Tradition unseres Hauses...“ Wann wird er sie wiederaufnehmen können?

BERLINER MORGENPOST – SONNTAG, 20. NOVEMBER 1955


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